Meinhard Ansohn
Gemeinsam gestalten



Musikalische Gestaltung in Gruppenarbeit

MiG 1-2013
Mi Gruppenunterricht ist besser als der Ruf, den er bei Praktikern hat, und schlechter als der Ruf, den er bei Theoretikern hat, stellt der Pädagogik-Professor Hilbert Meyer fest.
MiG 1-201

Gruppenarbeit hört sich gut an. Die erste Worthälfte (Gruppe) klingt nach Gemeinschaft,
Zusammenwirken und tätig werden; die zweite Hälfte (Arbeit) nach Produktivität, vorwärts kommen, etwas erreichen. Teamfähigkeit scheint greifbar nahe zu sein - eine Kernkompetenz moderner Pädagogik. Also sagen viele TheoretikerInnen gern: Her damit!
Gruppenarbeit im Musikunterricht ist nicht leicht zu realisieren. Arbeitsprozesse lassen sich schwer steuern, Ergebnisse sind schwer zu bewerten und Gruppenarbeit kostet meistens viel Zeit, die wir in der Schule einfach nicht haben. Also sagen viele PraktikerInnen: Weg damit. Um im Alltag praktische Wege für etwas zu finden, das theoretisch einen großen Wert darstellt, müssen wir mit sehr kleinen Schritten anfangen oder offene Versuche wagen und dann mit Geduld das Gelingen der Zweit- und Drittversuche begleiten.


Konzentration auf wesentliche Punkte

Die Gruppenarbeit hat ihren legitimen Ort an der Stelle, an der das persönliche Suchen, Forschen, Gestalten und Üben didaktisch notwendig wird - in einem Akt der Improvisation, der den freien unbeeinflussten Denkvorgang der Kinder in Aktion setzt.
Dieser für mich seit vielen Jahren gültige Leitsatz bedeutet für das musikalische Lernen: Früh, aber nicht zu früh, mit Gruppenarbeit beginnen, keine Gruppen anbieten, wo die Klasse mit dem Lehrervorbild und -korrektiv besser fährt (z. B. beim Singen, Töne treffen
usw.); keine Gruppen anbieten, wo Einzelarbeit in mehr Ruhe stattfinden kann (z. B. bei
schriftlichen Arbeiten) oder wo Partnerarbeit eine bessere Konzentration auf die Sache ermöglicht (z. B. beim Üben, gegenseitiger Hilfe und Kontrolle am Instrument). Grundsätzlich gilt für Gruppenarbeit im Musikunterricht:
Gruppenarbeit kann praktiziert werden ab Klasse drei bis vier, wo musikalische Gestaltung gefragt ist.
Untersuchungen und Vergleiche von Instrumenten lassen sich besser in Gruppen oder wenigstens in Partnerarbeit durchführen.
Übungsphasen zum Klassenmusizieren können als Vorstufe des Gesamt-"Orchesters"
für Gruppen geöffnet werden.
Regeln von Gruppenarbeit sollten immer präsent sein, damit die Qualität des Lernens gewährleistet ist.


Methodischen Fähigkeiten und der Lerngruppe vertrauen

Je mehr die eigenen Ja-aber-Argumente verschwinden, desto ergiebiger wird Gruppenarbeit. Es gibt Lerngruppen, die überhaupt keine Vorstellung davon haben, in der Schule und speziell im Musikunterricht etwas für sich selbst lernen zu können. Diese Klassen brauchen überhaupt erst einmal Erfolgserlebnisse in einem klaren Lernablauf, in der gelenkten Rhythmusgruppe, in kleinschrittigen Höraufgaben zu einer für sie interessanten Musik. Ein großes Ja-aber ist die Lautstärke in der Klasse, wenn in Gruppen probiert oder geübt wird. Dagegen helfen im Idealfall mehrere Räume, aber auch jederzeit Watte oder Papiertaschentuchschnipsel im Ohr - für LehrerInnen wie für SchülerInnen.
Zur schwierigen Frage "Wie soll ich Gruppenarbeit denn bewerten?" im späteren Text mehr. Damit die Gruppenarbeit gelingt, sollte die Lehrperson...
einen deutlichen Anfangsimpuls geben;
ein absolut einzuhaltendes Leisezeichen einführen und anwenden;
unterbrechen, wenn etwas aus dem Ruder zu laufen scheint;
sich zurückhalten, aber ständig für Hilfe zur Verfügung stehen;
Zeitvorgaben für eine Gruppenphase transparent machen;
sich wertschätzend verhalten (ohne "pädagogisches Lob"), einzelne Außenseiter unterstützen;
Eigenarten der Klasse in die Aufgabe einbeziehen;
bei Präsentation und Feedback auf sachliche und konstruktive Wortwahl achten.


Gruppenbildungen

Es ist leicht gesagt, mal eben Gruppen zu bilden. Wer seine Klasse kennt, hat sicher eine
Vorstellung davon, wie klar die Kinder Regeln einhalten können (und wollen!) und an Ergebnissen interessiert sind; wieviel sie sich musikalisch zutrauen, wer gern mit wem arbeitet, wer wen eher stört und wer doch immer wieder den Erwachsenen im Raum sucht.
Beim Lernen und Üben in Gruppen empfiehlt es sich, von Anfang an für verschiedene Aufgaben auf unterschiedliche Gruppenzusammensetzungen zu achten, damit keine festen In-Groups entstehen. Eine gute soziale Kompetenz wird durch gegenseitiges Kennenlernen stärker ausgebildet als durch Abgrenzungen (und Ausgrenzungen).

Zusammenstellungen nach Zufallsprinzip
Diese Gruppenzusammenstellungen sind wichtig um zu lernen, dass man auch mit anderen
Menschen zusammenarbeiten kann (manchmal muss), die man sich nicht ausgesucht hat.
Schule kann nicht nur Spielraum sein ("Mit Spaß geht alles leichter..."), sondern ist auch
Arbeits-, Lern- und Lebensraum. Eine Zusammenstellung, die garantiert, dass Kinder nicht zufällig ihre Nachbarn als Partner bekommen, ist das Abzählen, z. B. "1, 2, 3, 4, 5, 6, 7." Bei 21 Kindern wären in diesem Beispiel immer drei Kinder in einer Gruppe, die zur gleichen Zahl gehören. Solche Dreiergruppen können gut einfache und formale Aufgaben lösen. Andere Zufallsgruppen entstehen durch das Ziehen von Bildkarten, z. B. mit Tieren. Die Katzen-, Hunde-, Hasengruppe bekommt jeweils eine in der Regel themengleiche Aufgabe. Dasselbe gilt für das Ziehen verschiedenfarbiger Murmeln aus einem Säckchen und Ähnliches. Vor allem, wenn Kinder solche Aufteilungen aus anderem Unterricht kennen, ist es gut, sie im Musikunterricht genau so anzuwenden.
Beispiel für eine einfache Aufgabe: "Vergleicht zwei Instrumente im Musikraum und notiert Ähnlichkeiten sowie Unterschiede. Arbeitsteilung: Ein Kind probiert es aus, ein anderes misst es aus, das Dritte protokolliert frei oder auf einem vorbereiteten Bogen."
Beispiel für eine formale Aufgabe: "Erfindet eine Musik, die am Anfang sehr langsam beginnt, in der Mitte entweder schneller wird oder plötzlich schnell ist und am Ende langsam aufhört." Die Ergebnisse können völlig verschieden klingen, aber sie müssen der Aufgabenstellung entsprechen. Der Aspekt Tempo wird dadurch auch für späteres gemeinsames Musizieren bewusster gemacht.
Beispiel für eine inhaltliche Aufgabe: "Programmmusik. Findet Instrumente und Klänge,
mit denen ihr Musik spielen könnt, die wie ein Sonnenaufgang klingt." Die Ergebnisse werden völlig verschieden klingen. Die Kunst, ein nichtmusikalisches Ereignis mit Klängen darzustellen, wird durch die eigenen Versuche problematisiert. Die SchülerInnen setzen sich in der Gruppe damit auseinander, was in der Musik das Dunkle darstellt, was fürs Hellerwerden stehen kann, welche Klänge für Licht geeignet sind und wie man einen allmählichen Übergangs gestalten kann.

Zusammenstellung nach freier Wahl
Wenn es um vorwiegend kreative Prozesse geht (Ausprobieren, Improvisieren, Komponieren, musikalische Anwendung von Gelerntem in Gruppengestaltungen usw.), ist es erfolgversprechender, wenn die Kinder ihre PartnerInnen selbst wählen. Uns fallen oft bessere Dinge ein, wenn wir sie mit Menschen ausprobieren, die wir mögen. Probleme, die durch Ausgrenzung Einzelner entstehen, werden hier besonders sichtbar, können aber gerade deswegen in einem Musikunterricht, der viel Wert auf Gruppenarbeit setzt, gemeinsam bearbeitet und gelöst werden.
Wenn Gruppenarbeit in einer Klasse geübt ist, kommt oft die Frage: "Dürfen wir heute wieder selber Musik erfinden?" Für diese Stunden eignen sich am besten freie Gruppenzusammenstellungen. Die Kommunikation innerhalb der Klassengruppen geht hier in der Regel am fruchtbarsten in das Ergebnis ein. (Achtung: Nebengespräche möglichst früh abfangen und freundlich auf die Arbeit verweisen.) Dann können sowohl ganz offene Aufgaben ("Erfindet eine Musik"), als auch halb offene Aufgaben ("Erfindet eine Musik zum Thema X (Abschied, Bahnhof, Hänschen klein umkomponieren") gestellt werden. Halboffen, weil es zwar ein Thema zum Abarbeiten gibt, aber keinerlei formale Vorgaben existieren. Beim Feedback hinterher geht es dann neben den Fragen, wie interessant und klar das Musikstück war, wie gut das Zusammenspiel geklappt hat usw. auch darum, woran die Umsetzung des Themas zu erkennen war.

Kriteriengeleitete Wahl 1 - Wer arbeitet gut mit wem zusammen?
Wenn Aufgabenstellungen bestimmte Fähigkeiten voraussetzen, können kleine Gruppen ähnlich wie Mannschaften gewählt werden. Wenn die Kinder die Aufgabe kennen und überschauen, wer was kann, wählen sie für die jeweilige Aufgabe mehr nach Expertentum, als nach Freundschaft aus.
Beispiel: Gestaltungsaufgabe: Musik für zwei Trommeln, ein Melodieinstrument und (ein- bis zweimal) Klapperkram. Vier bis fünf Kinder werden gebraucht. Meistens wählen zweckmäßigerweise diejenigen, die sich zutrauen, eine Melodie zu spielen, denn sie wissen oft, wer einfühlsam trommelt und wer (noch) nicht so. Nach der Gruppenwahl geht es an die Arbeit: "Findet ein Musikstück, wo sich eine Melodie auf den Weg macht (mehrmals gespielt wird) und (akustische) Abenteuer (Störungen oder Begleitungen) bestehen muss, um nach spätestens zwei Minuten zu Hause anzukommen und sich ausruhen darf (ein letztes Mal langsam allein spielt)."

Kriteriengeleitete Wahl - 2 Wer macht was am liebsten und besten?
Größere Projekte sind nicht ohne Weiteres dadurch zu schaffen, dass alle alles machen.
Beispiel: Einstudieren eines Minimusicals, z. B. das Einschulungsmusical von Lie Bruns in diesem Heft (S. 44). Auch wenn vielleicht alle Kinder die Lieder singen sollen, gibt es doch arbeitsteilige Aufgaben, die gruppenmäßig aufteilbar sind (themendifferente Gruppen): Eine Gruppe malt die Buchstabenplakate, eine weitere übt Begleitungen zur ABC-Band, eine dritte sucht Strophen aus Es ist der gleiche Wind aus, eine vierte findet Bewegungen zu Salibonani, eine fünfte legt Bodypercussion für Schule ist   
für alle da fest und übernimmt für die Aufführung die Position in der ersten Reihe, um das Publikum sicher zum Mitmachen anzuregen. Auch arbeitsteilige Gruppen in kleineren Unterrichtseinheiten gehören in diese Kategorie "Wer macht was am liebsten und besten?" In der "Hexenzauber"-Einheit in diesem Heft kommen unterschiedliche Aktionsformen für unterschiedliche Gruppen vor, auch wenn das auf den ersten Blick nicht so aussieht. Es gibt viermal Verklanglichung von verschiedenen Hexensprüchen (Kinder ordnen sich der Sache zu), einmal Komposition mit Stabspielen (Kinder ordnen sich nach Lust, Zutrauen zu Fähigkeiten zu) und fakultativ szenisches Spiel, das zwar im Beitrag als möglicher Bestandteil der Gruppen eins bis vier benannt wird, aber das auch an eine sechste Gruppe von Kindern gehen könnte, die sich musikalisch wenig, szenisch aber viel zutraut.
Vorbereitung der Präsentation in der Gruppe

Pädagogische Gesichtspunkte: Wer arbeitet heute mit jemand ganz Anderem zusammen?
Es gibt Situationen, wo die Lehrkraft ihre Leitungsrolle klar zeigen sollte und Gruppen einteilt. "Heute arbeiten mal x und y zusammen. Ich möchte gern wissen, wie ihr diese Aufgabe gemeinsam löst." Leistungsvermögen, Spezialfertigkeiten und -interessen können dabei eine Rolle spielen. Es könnte z. B. gut sein, dass im Beispiel von Matthias Kloß (Vogelhochzeits-Rap, S. 14) einige Kinder schon an der Idee verzweifeln, eigene Strophen reimen zu müssen. Hier könnte man sprachlich ausdrucksstarke Kinder mit anderen zusammen in eine Gruppe geben: Jemand könnte beim Ausprobieren des Textes mit einem Bleistiftschlagzeug das Timekeeping übernehmen, jemand anderes schreibt die Ideen auf usw. Wo Dinge gar nicht gut zusammenlaufen, dürfen SchülerInnen nach Rücksprache mit dem - in diesem Fall steuernden - Lehrer auch die Gruppe wechseln, so lange noch Zeit genug ist, dass ein Ergebnis möglich wird.

Spontane Gruppenbildungen
Mal eben in Gruppen etwas machen - das gelingt nur, wenn Gruppenbildungen geübt oder
Aufgaben klein und spontan sind, z. B. hier im Heft die Liederraterunden von Frigga Schnelle (S. 12). Als LehrerIn ist es interessant dabei zu beobachten, welche Kinder sich spontan zusammenschließen: Sind es die, die sich gute Ergebnisse versprechen, also Cracks um sich scharen? Oder sind es die, die sich gut verstehen, Auswahl nach Sympathie? Es kann ja hier kaum etwas schief gehen, da nicht alle SchülerInnen ein Lied zum Erraten vorstellen müssen. Spiele, die Spaß machen sollen, geben Hinweise auf die Chemie der Klasse und können die Fähigkeit zur Arbeit in Gruppen verstärken.
Beispiel: Einen kurzen Rhythmus in der Gruppe üben, mehrmals spielen, mit Körperinstrumenten als Runden- oder Wechselspiel spielen, mit gleichen oder unterschiedlichen Musikinstrumenten klanglich abwechslungsreich gestalten, gelernte Dinge wie Kette, Aufbau/Abbau, Kanon, solo-tutti-Wechsel anwenden und das Ganze zu einem kleinen Musikstück zusammenbringen bringen. (Material dazu u. a. in MUSIK in der Grundschule 1/12 zum Thema Rhythmus.) Diese kleine spontane Gruppenarbeit erfordert kaum Aufwand und ist weitgehend unproblematisch.


Wenn Gruppenarbeit hakt

In einer vierten Klasse, die angeblich gern in Gruppen arbeitet, stelle ich z. B. fest, dass die Gruppenarbeit im Musikraum nicht gut funktioniert: Manche Kinder werden ausgegrenzt, manche bekommen nie die Instrumente, die sie gern hätten, manchen "fällt nichts ein", manche haben in ihrer Gruppe nichts zu sagen, usw. Eine Stunde, die die Situation wesentlich verbessert hat, ging so: "Heute sollt ihr zu dritt ein Musikstück erfinden. Ein Instrument soll die ganze Zeit lang spielen, eines soll nur einmal kurz spielen und eines soll ein paar Töne wie eine Melodie zweimal spielen. Findet zuerst eure Gruppe." Die Gruppenbildung wird überprüft und "repariert". Sechs Kinder bilden nur Paare und wollen sich nicht trennen. Es wird gemeinsam ergründet, was bei der Musikarbeit gegen eine 2x3-Aufteilung spricht und tatsächlich ergeben sich doch noch zwei Dreiergruppen daraus. "Besprecht jetzt, welche Instrumente ihr für die Aufgabe verwenden wollt!" Ich unterbreche nach zehn Sekunden: "Könnt ihr euch gut hören? Stellt euch doch die Stühle im Dreieck auf, damit alle etwas mitbekommen." "Seid ihr schon zu den Instrumenten gegangen? Habt ihr euch vorher abgesprochen?" Nachdrücklich wird hier die Gruppenabsprache eingefordert! Alle sitzen und probieren. Kurze Unterbrechung als Hinweis zur Zusammenarbeit, hier als Anfrage bei jeder Gruppe: "Habt ihr einen Chef?" Die meisten haben einen Chef oder eine Chefin. "Ihr müsst das nicht haben. Wenn ihr glaubt, dass einer von euch die besten Ideen hat, dann ist ein Chef in der Gruppe ok. Wenn ihr alle Ideen habt, braucht ihr vielleicht gar keinen Bestimmer."

Es ist wichtig, jederzeit einer Gruppe helfen zu können

In zwei Gruppen verändert sich danach das Setting deutlich. Die Chefs werden abgesetzt, Ideen werden reihum geäußert und ausprobiert. Die Anderen sind offensichtlich mit ihren Leadern zufrieden. In einer Gruppe ist ständig ein Junge unterwegs, um sich immer neue Instrumente zu holen. Derweil spielt ein anderer auf der lautesten Basstrommel mit voller Kraft "das Instrument, das immer spielt". Da ansonsten alle gut arbeiten, gehe ich zum Trommelterroristen und erkläre ihm, dass "immer spielen" sich nur auf die gemeinsame Spielphase, auf das Stück bezieht und außerdem eine geringere Übungslautstärke im Raum auch ihm gut tun würde.
Nach acht Minuten kommt die Ansage, dass noch vier Minuten Zeit übrig sind und es jetzt
darum geht, einen Anfang und einen Schluss zu erfinden. Zwei Gruppen fragen nach, wie man das machen könne. Ich höre ihnen zu und gebe Hinweise auf die anfangs genannte Spielregel. Eine nimmt daraufhin das einmalige Ereignis als Schluss (ein Gongschlag). Eine andere Gruppe entscheidet sich als Intro für das Instrument, das immer spielt (einen Egg-Shaker).
Nach 12 Minuten kommt das Vorspiel aller Gruppen. Höraufgabe für die anderen: "Welches Instrument übernimmt welche Aufgabe aus der Spielregel?" Dann außerdem: "Wie hat euch die Musik gefallen? Habt ihr Ideen, wie man sie noch ausbauen könnte?" Für die musikalischen Gruppenarbeitsanfänger hat sich diese Stunde gelohnt. Auch wenn ein Methodentraining um der Methode willen eher nicht anzuraten ist, hilft die Begleitung der Methodik, die die SchülerInnen selbstständiger machen soll, und dies nicht nur in Klassen, wo es hakt.


Verbesserung der Arbeit innerhalb der Gruppe


Unabdingbar für eine gute Entwicklung der Gruppenarbeit in einer Klasse ist die Reflexion der Arbeit selber. Stichworte, die an der Tafel stehen, helfen bei Gesamtüberblick. Hier ein paar Beispiele:
1. Was und womit wollen wir probieren? (im Zusammenhang der Besprechung)
2. Instrumente holen
3. Der Reihe nach die Klänge vorstellen
4. Spielregel sagen, sofort ausprobieren (kein Nein! Erst nach dem Spiel eine andere Idee
probieren)
5. Stück zusammensetzen
6. Anfang und Schluss finden
7. Ganzes Stück spielen! Zufrieden?
8. Üben = Wiederholen! Klappt es?
9. Präsentation (Vorspiel)
Anhand dieser Liste kann man nachvollziehen, was gut geklappt hat oder schwierig war. Wenn z. B. erstens oder drittens übersprungen wurden, fehlen wichtige Konzeptbausteine, weil nicht jeder informiert war, was die Anderen vorhatten. Fehlt Nummer vier, leidet die Arbeit oft unter lergebnislosen Diskussionen. Ohne Nummer sechs wird die Präsentation schwierig, denn es fehlt der Durchblick aller für den Anfang und das Ende. Stattdessen wird dann an der falschen Stelle (beim Vorspiel) weiter diskutiert.


Präsentation - Feedback - neue Motivation

Eine gute (= dem Vorhaben angemessene) Präsentation hat einen klaren Ort, einen übersichtlichen Aufbau der Instrumente, entweder auf einer Bühne, einem improvisierten "Bühnenplatz" vor der Klasse oder am Platz, wo gearbeitet wurde, wenn das nicht anders geht. Sie muss in Ruhe beginnen, so dass auch ein Fremder erkennen kann: Hier wird etwas vorgeführt. Da die Zuhörer und Zuschauer in der Regel die gleiche Aufgabe hatten wie die präsentierende Gruppe, sind alle Experten und können der Sache folgen. Notfalls gibt man Höraufgaben: "Gab es einen Anfang? Wie war er? Gab es einen Schluss? Wie war der? Hatten Anfang und Schluss etwas mit dem Stück zu tun? Waren die Spielregeln des Stücks erfüllt? Gab es originelle Ideen? Wie war die Körperhaltung? Gab es Bewegtes bzw. Szenisches als Ergänzung? Könnte man dem Stück einen Titel geben?" Feedbacks und Nachfragen zur Sache sind sehr wichtig, damit die Arbeit eine abschließende
Würdigung findet. Sie erhöhen auch die Motivation für eine weitere ähnliche Arbeit. Eines
der wichtigsten Merkmale guten Unterrichts ist, dass die SchülerInnen persönlich vorkommen. Gestaltungsaufgaben wie "In Gruppenarbeit ein Musikstück erfinden" sind dafür geradezu prädestiniert. Die Auseinandersetzung von SchülerInnen mit dem Instrumentarium und dem musikalischen Material kann sich in dieser Arbeit so verdichten, dass jegliches sinnerfülltes Musizieren gestärkt wird, indem die Tätigkeit des Spielens und Entwickelns auch bei fremden Stücken als eine ganz eigene empfunden werden kann.


Bewertung

Gruppenarbeit ist ein Mittel für soziales Lernen und Differenzierung im Unterricht, aber ein schwieriges Terrain um traditionelle Bewertungen unterzubringen. Im Kontext Schule, wo Bewertungen angeblich etwas über Leistung und Lernfortschritt aussagen, kann Gruppenarbeit nicht ganz ohne Bewertung auskommen. Andererseits ist die Ziffernzensur wie bei einem individuellen Leistungstest bei dieser Arbeit noch fragwürdiger ohnehin, denn Gruppenarbeit ist im Kern ein sozialer Akt, während die Zensur einem Konkurrenz- und Vergleichsraster unterliegt. Wichtige Fragen in diesem Zusammenhang sind z. B.:
Wie können wir das Produkt den Einzelnen zuschreiben? Ein gutes Gruppenergebnis ist mehr als die Summe seiner Teile.
Woran lässt sich ablesen, welchen Anteil ein Einzelner am Gruppenergebnis haben?
Gibt es Leistungen während des Prozesses, die sich im Ergebnis nicht wiederfinden?
Eine annähernd vernünftige Beurteilung von Gruppenarbeit kommt dann zustande, wenn wir uns einen Maßstab aus mehreren Kategorien zurechtlegen und wenn zu unserer Einschätzung von Anfang an auch die Selbstbeurteilung kommt. Eine Zensur als Abschluss dieser Arbeit kann nicht in Frage kommen, weil wir zu viele nicht transparente Parameter benötigen würden. Trotzdem können wir SchülerInnen Hinweise geben, wie wir das Ganze einschätzen, was die jeweilige Arbeit gebracht hat.


Prozess und Ergebnis

Wir müssen, wenn wir Gruppenarbeit motivierend ein- und weiterführen wollen, neben den Ergebnissen auch die Qualität der Arbeit selbst würdigen. Die Kinder sollen ihrerseits die Einschätzung der eigenen Arbeit von Anfang an lernen. Nicht jede Gruppenarbeit braucht am Ende eine Zensur. Wir lernen für uns, für das Miteinander (Gruppenarbeit) und für den musikalischen Ausdruck (musikalische Gruppengestaltung). Die Kriterienliste für Bewertungen wird für jede Arbeit sicher unterschiedlich gewichtet sein. Mal ist der Prozess des Entwickelns, der Zusammenarbeit usw. mehr, mal weniger im Vordergrund. Mal spiegeln sich im Ergebnis mehr oder weniger neu gelernte Instrumentaltechniken oder
geschickt eingebaute Rhythmen aus dem vorherigen Unterricht usw. Mal ist Originalität ein wichtiges (subjektives, aber für ästhetische Produkte mitentscheidendes) Kriterium. Zu jedem Punkt, der für eine abschließende Bewertung eine Rolle spielt, kann man mit Plusund Minuszeichen arbeiten, auch Doppelplus für besondere Leistungen oder für ein sehr gutes Ergebnis beim stark gewichteten Aspekt der Aufgabe. Die Addition der Punkte fällt, wenn sie mit der Aufgabe übereinstimmt, meist mit der spontanen Einschätzung zusammen, macht diese aber für alle Beteiligten transparenter.


Beispiele für Kriterien

Prozess
Die Schülerin bzw. der Schüler...
war bei der Sache,
hat seine Zeit gut eingeteilt,
hat eigene Ideen eingebracht,
hat Ideen von anderen gut umgesetzt,
fand eine treffende Wortwahl bei der Erarbeitung und bei Vorschlägen,
hat nachgefragt wenn nötig,
fand Lösungsvorschläge bei Konflikten,
fand ein gutes zeitliches Verhältnis von Absprachen und Instrumentalspiel,
fand eine adäquate Instrumentierung,
ging gut mit Instrumenten um,
fand eine gute Übungslautstärke,
konnte sich gut auf das Ergebnis ausrichten,
konnte die Qualität der Arbeit einschätzen.
Ergebnis
Die Gruppe bzw. die Mitglieder der Gruppe...
wählten einen geeigneten Präsentationsort,
setzten einen deutlichen Beginn,
setzten einen deutlichen Schluss,
präsentierten eine klare Struktur des Stücks,
setzten die Aufgabe gut um,
fanden ggf. Alternativen,
verfügten über Spieltechnik,
konnten komplexe Strukturen spielen,
setzten frühere Verbesserungsvorschläge um,
konnte die Qualität der Arbeit einschätzen.
So könnte eine Liste aussehen, die mit Zeichen für jeden Schüler angefüllt werden kann. Kriterien, die die ganze Gruppe betreffen, sind wichtig, denn die Gruppe definiert eine eigene Qualität. Es braucht aber zur Bewertung eine Mehrzahl an individuellen Merkmalen, damit der Anteil der Einzelnen adäquat gewürdigt werden kann.

Beispielbogen für eine vierte Klasse