Meinhard Ansohn
Arbeitspläne im Winter

MiG 1-201
... und
schon wieder ist Winter. Der
Herbst ist vorbei und man
kramt die Wintersachen hervor:
Ab jetzt geht es - auch in der
Schule - um Schnee
(wirklich?), um Weihnachten
(natürlich!) und um Neujahr
(eher weniger, denn da sind
immer Ferien).
Dann - mitten im Winter -
kommen schon die
Halbjahreszeugnisse und ein
neues Schulhalbjahr beginnt.
Würdigen wir eigentlich das
Ende des Halbjahrs und den
Beginn eines neuen? Wenn ja,
wie tun wir das? Gleich im
neuen Halbjahr muss an
Fasching bzw. Karneval gedacht
werden, und immer noch ist die
dunkle Jahreszeit nicht zu
Ende. Reichen unsere Vorräte
aus, bis der Frühling wieder
alles neu macht?
MiG
Arbeitsplan
in der Schule
In vielen Schulen werden
Arbeitspläne oder schulinterne Curricula
verlangt, auch im Fach Musik. Sie
herzustellen, erfordert eine
Grundsatzentscheidung: Schreibe ich einen
Plan, der stringent zeigt, wie sich das
Musiklernen in Klasse xy aufbauen soll, an
welchen Gegenständen, mit welchen Inhalten und
Methoden? Oder baue ich mir einen Rahmen, der
Themen, Inhalte und Methoden bereithält, mit
denen ich auf die Musikklassen und ihre
Bedürfnisse reagieren kann, ohne dass am Ende
ein musikalisches Thema zu kurz kommt?
Die Entscheidung für die erste Form ist sicher
leichter, denn es gibt auf dem Markt
Schulbücher, die dafür gedacht sind,
durchunterrichtet zu werden. Wer alles macht
(und schafft), hat von allem etwas eingebracht
und ist auf der sicheren Seite, was die
Mischung der Themen und die pro Klasse
geforderten Standards angeht. Die Entscheidung
für eine zweite Variante wirft mehr Fragen
auf, schafft allerdings auch mehr Offenheit
für Impulse aus der Klasse. Einige Eckpfeiler
für diese Art von Plan wären so:
• Zeitraum
Von Anfang November bis Mitte März gibt es
etwa 16 Schulwochen, d. h. entweder 16 oder -
bei zweistündigem Musikunterricht - 32
Musikstunden. Ein Muster-Arbeitsplan befindet
sich auf Seite 11. (Der Plan geht von den
Berliner Schulferien aus.)
• Arbeitsbereiche
Im fraglichen Unterrichtszeitraum soll
vorkommen: Singen, Instrumente spielen, Musik
hören, tanzen, über Musik sprechen, evtl.
etwas erfinden, evtl. etwas vorführen, ein
Halbjahresrückblick mit Selbsteinschätzung und
Feedback und eine Vorschau mit Wünschen und
Vorsätzen fürs nächste Halbjahr.
• Inhalte
/ Themen
1. Ein Ritual für jede Stunde: Begrüßungslied,
Schwerpunkttraining (Solmisation oder
Intervallübung oder Rhythmen und Takt oder
Hörübung oder kurze Vorstellung des
musikalischen "Geburtstagskindes" des Tages
oder ...).
2. Rahmen: In die Rahmenthemen, wie z. B.
Herbstwetter, Weihnachten, Winter, Karneval,
beginnender Frühling kommt - gut verteilt -
hier ein Lied, da ein Tanz, dort ein Hörstück,
da eine Instrumentalaktion und Verbindendes
von mehreren musikalischen Tätigkeitsfeldern.
3. Mögliche Lernschwerpunkte innerhalb der
Aktivitäten: Manchmal ist es gut, ein Lied
kurz zu lernen, in den Klassenschatz
einzubinden und sich Neuem zuzuwenden.
Manchmal ist es sinnvoll, an einem Lied
Grundsätzliches über Musik klarzumachen, wie
z. B. Taktart, Intervalle, Formteile,
Melodieverlauf, harmonische Struktur. Selbst
in Klasse 1 bis 3 kann ein Interesse für
solche Dinge entstehen. Es kann aber auch in
Klasse 4 eine Bildungsferne vorherrschen, die
es nötig macht, viele kleine Häppchen ohne die
Gefahr der Überforderung anzubieten. Auch
dafür ist das Planungsraster gut geeignet.
4. Wiederholende und festigende Maßnahmen:
Auch die können in den Plan integriert
werden, es sei denn, die Kinder fordern von
selbst ihr Lieblingslied, ihren Lieblingstanz
oder schulische Aktionen: Wir lernen Musik, um
damit umgehen zu können und wir gehen in der
Schule damit um. Je mehr wir musikalisch
kompetent handeln, desto mehr können wir
außerhalb der Schule ebenfalls selbstbewusst
mit Musik umgehen.
Wintergeschichte
1
Klein,
aber fein für zwischendurch, sind
Rhythmusverse, gemeinsam gesprochen (laut,
leise, schnell, langsam), dann auch als
Kanon geeignet oder erweitert mit
Perkussionsbegleitung. Bekannt und im Heft
hier auch vertreten, ist der
Bewegungskanon Schneeflocken fallen.
Hier zur weiteren Auswahl ein anderer Vers
von der kleinen Flocke:
Eine kleine Flocke fliegt.
Eine Schneeflocke fliegt.
Zwei und drei und vier und mehr
kommen direkt zu mir her.
Immer mehr, immer mehr
kommen direkt zu mir her.
Es schneit, es schneit und die
Welt wird endlich wieder weiß.
2
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Eine
kleine Flocke
M
& T:
Meinhard Ansohn
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Das Kein-Schnee-Lied ist
entstanden, als eine Schulklasse gern
ein Winterlied singen wollte ( Es
schneit von Zuckowski oder Im
Pferdeschlitten von Uli Meyerholz
waren im Pool), aber merkte, dass sich
die Schnee-Lieder komisch anfühlten: Es
hatte in diesem Winter bis Ende Januar
noch gar nicht geschneit. Der Moment,
wenn ein neues Lied entsteht, ist
magisch: Etwas passiert. Eine
Wahrnehmung wird mit Worten beschrieben.
Sie übertrieben zu sprechen, drängt sie
in eine Art Melodie und es ist nicht
weit zu musikalisch festgelegten Tönen.
Jeder, der so spontan zum Singen kommen
kann, kann von diesem Glück "ein Lied
singen".
Nun ist das Lied aber fertig und es
wächst nicht mehr aus dem Moment heraus.
Also wird es - wie die allermeisten
Lieder - als fertiges Lied eingeführt,
z. B. so: "Wäre das schön, wenn wir
Schnee für unsere Winterlieder hätten.
Aber ich habe auch ein Lied für euch,
das ohne Schnee funktioniert. Schaut
doch mal aus dem Fenster! Kein Schnee,
oder? Überhaupt kein Schnee! Gar nicht
dran zu denken, wann welcher kommt." Und
dann gesungen: "Hey, hey, hey, nach
allem, was ich seh' ..." Mit
auffordernden Körpergesten
zu wiederholen, bis zwei, drei und mehr
Kinder mitsingen. Dann wird das
Liedblatt
ausgeteilt und die Strophenmelodie kann
mit dem Text der ersten Strophe erst
langsam, dann schneller gelernt werden.
Für mich als Lehrer kommt das Lied in
den Wintervorrat für die schneearmen
Winter, jederzeit hervorzukramen, wenn
es mal wieder gar nicht schneien will.
Übrigens war der Refrain ganz am Schluss
im selben Winter dazugekommen. Wir
hatten das Lied schon gesungen und in
der Musikstunde kamen ein paar Flocken.
Heute nenne ich diesen Refrain unseren
Warterefrain. Wenn der Schnee
tatsächlich kommt, wird er meistens
ziemlich laut.
3
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Kein-Schnee-Lied
M
& T:
Meinhard
Ansohn
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Hörprobe
2
Wir wollen gern
Schlitten fahr’n,
Schlitten, Schlitten fahr’n,
erst Schlitten fahr’n und
Schlitten fahr’n,
immer Schlitten fahr’n. Aber
…
Hey, hey, hey …
3
Gestern
Abend war’s so weit
und es hat geschneit.
Ich dachte, ach du liebe
Zeit,
ich mach mich schon bereit.
Aber …
Hey, hey, hey …
4
Wer
heute aus dem Fenster
schaut,
sieht, es hat getaut.
Der Schnee war nur ein
Kurzbesuch,
da singen alle laut: Hey,
hey, hey …
gesprochen:
Aber – – – guck mal! – – ‘ne
Flocke – – –hm.–
Aber – – – schau mal! – –
‘ne Flocke – – – aah!
Refrain mit
neuem Text:
Hey, hey, hey, nach allem,
was ich seh’,
draußen schneit’s, es gibt
wieder Schnee.
Hey, hey, hey, nach allem,
was ich seh’,
da kommt Schnee. Olé, olé,
olé
|
Wintergeschichte
3
Jahr für Jahr sind wir
spätestens im September dabei, die
Weihnachtslieder zu sichten: Welche
eignen sich dazu, wieder und wieder
gesungen zu werden und welche neuen
Impulse wollen wir in das schulische
Singen bringen? Tatsächlich ist der
Fundus an Liedern zu Weihnachten der
größte von allen Singanlässen. In
diesem Heft sind dankenswerter Weise
viele Assoziationen zu Weihnachten im
Artikel von Christine Paetzel
zusammengetragen worden. Auch für den
dort fehlenden Aspekt "Schenken" gibt
es
genug Lieder, nicht zuletzt Das
Lied vom Schenken ("meine
schönste Murmel") - in Ein Haus
für die Kinder von Meinhard
Ansohn oder in MUSIK
in der
Grundschule 4/1998.
Auch zum Aspekt des Lichtes in der
Welt - ein bisschen mehr als das
Lichtlein am Adventskranz - bringt
dieses Heft seit Jahren schöne neue
Lieder wie Da ist ein Licht ( MUSIK
in der
Grundschule 4/2012), Weihnacht
ist auch für mich ( MUSIK
in der
Grundschule 4/2002) u.
a.
Und immer wieder werfen wir einen
Blick in andere Länder und Kontinente,
diesmal vielleicht nach Afrika mit dem
von Wolfgang Herlyn zugänglich
gemachten Lied aus Tansania. Passt gut
in den Arbeitsplan, wenn schon länger
kein Lied aus anderen Ländern im
Weihnachtsprogramm war.
Die Zusammenstellung eines aktuellen
Weihnachtsprogramms beginnt direkt
nach den
Sommerferien für uns Lehrer, aber sie
kommt ganz zum guten Ende, wenn wir
den Weg der Gedanken zum Fest mit den
Kindern im November weitergehen. Die
gemeinsame Auswahl, was in diesem Jahr
dabei sein soll, macht unsere
Weihnachtszeit musikalisch dichter und
echter.
Wintergeschichte 4
In der Regel geht
ein Schulhalbjahr freitags mit einem
Zeugnis zu Ende und das nächste
beginnt am Montag, manchmal nach
einer Woche Winterferien. Das ist
eine gute Gelegenheit, den Aspekt
Bewertung im Arbeitsplan
aufzunehmen. Wenn die Entwicklung
personaler Kompetenz im Unterricht
bewusst vorkommen soll, dann sind
Selbsteinschätzung und Bewertung
hier besonders aufgehoben: Wer jede
Stunde im Zeichen von
Leistungsbewertung betreibt, hat
wenig Aussicht auf ein Sachinteresse
der
SchülerInnen, denn es wird gelernt,
lediglich für Zensuren und
Anerkennung zu arbeiten.
Wer die Bewertung nur am
Schuljahresende in eine Zeugnisnote
fasst, erzeugt kein Bewusstsein über
die Qualität von Leistungen.
Der Rückblick ist wichtig für die
Besinnung auf das Erreichte, aber er
ist auch günstig für die Planung des
künftigen Unterrichts. Hier können
SchülerInnen mitreden, über sich
selbst. "Ich war nicht so gut beim
Tanzen, aber beim Instrumentalspiel
habe ich gute Sachen gemacht." Das
kann heißen: "Ich würde gern mehr
tanzen, damit ich besser tanze."
Oder "Ich würde gern mehr
Instrumentalspiel machen, weil ich
da besser bin. Können wir nicht
weniger tanzen?"
An diesen Stellen ist unser
Lehrervorbild besonders wichtig. Wie
bestätigen wir Selbsteinschätzungen
und wie geben wir Bewertungen ab,
die mit der Selbstwahrnehmung der
Kinder nicht übereinstimmen? Viele
gute Hinweise gibt das Buch von
Micaela Grohé Der
Musiklehrer-Coach, das
alternative Formulierungen und
Haltungen beschreibt. Wir können uns
ja entscheiden, ob wir den
Vermeidungswunsch respektieren ("Ich
würde auch lieber keine Zeugnisse
schreiben, sondern mit euch einfach
Musik machen.") oder ob wir eigene
Verbesserungsvorstellungen haben.
(Z. B. "Im nächsten Halbjahr
versuche ich euch die Lieder noch
langsamer und deutlicher
vorzusingen.")
In manchen Klassen, wo nicht lange
anderen zugehört wird, kann ein
Fragebogen das Klassengespräch
ersetzen, der dann ausgewertet
werden muss. Transparenter und bei
jüngeren Kindern ist auch Folgendes
möglich: Wir befestigen große
Symbolkärtchen an verschiedenen
Ecken und Wänden im Raum: das
singende, tanzende, trommelnde,
flötende, hörende, sprechende,
malende Kind, je nach den
Aktivitäten im letzten
Schulhalbjahr. Die Kinder stellen
sich nach bestimmten Fragekriterien
zu den Karten: "Was hast du am
liebsten gemacht? Was hast du am
besten gekonnt? Was ist dir
schwergefallen? Was möchtest du
besser können? Was würdest du am
liebsten gar nicht mehr machen?"
usw.
Mit einer Klassenliste in der Hand
können wir schnell kartieren, wie
die Klasse insgesamt
denkt und fühlt, während die Kinder
sich aufstellen. Wer möchte, kann
etwas zu seiner Positionierung
sagen. Und dann kommt die nächste
Frage. Wichtig ist, dass wir unsere
Position klarmachen: Kann denn etwas
ganz ausgeklammert werden, weil es
schwer war? Bieten wir nur noch
etwas an, das womöglich alle am
liebsten gemacht haben? Wir sollten
die Mischung verhandeln, die jedem
etwas zu lernen bietet,
abwechslungsreich in Inhalten und
Methoden und Schwerpunkte dabei
wählen, die den Kindern möglichst
einsichtig werden. Vorfreude auf das
nächste Halbjahr ist schon der halbe
Frühjahrarbeitsplan.
Wintergeschichte
5
Eine schöne
Geschichte eines Arbeitsplanes im
Winter ist die von der Maus
Frederick. Das Buch sollte in
keiner Grundschul-Leseecke fehlen.
Den Text mit dem schönen
Textanfang "Rund um die Wiese
herum" findet man aber auch da, wo
man heute vieles findet.
Bei uns gibt es ein ganzes
Schattenspiel-Stück mit Musik und
Rap zum Aufführen im Winter. Die
Christophorusschule Bonn zeigt im
Internet ein Frederick-Lied zum
Singen, das hier nicht einfach
abzudrucken, aber dort leicht zu
finden ist. Das Stück ist populär
und vielseitig zugänglich, es
passt in die kalte Jahreszeit und
es thematisiert den Arbeitsplan
selber: Alle Mäuse tun etwas,
sammeln Futter und richten ihre
Unterkunft für den Winter her, nur
Frederick scheint nichts zu tun,
träumt, schaut in die Sonne, macht
sich's gemütlich. Und was tut er
tatsächlich? Er sammelt alle seine
Eindrücke, die dann, wenn es
richtig kalt wird, den anderen
Mäusen die langweilige Zeit
verschönern, indem von der Sonne,
den Farben und der Wärme erzählt
wird.
Wer kein ganzes Theaterstück
planen möchte, kann kleinere
Varianten in Betracht ziehen: Ein
Stopptanz auf der Bühne mit einer
schnellen Musik. Beim Stopp rufen
alle: "Frederick, Frederick, komm
und mach doch auch mal mit."
Weiter geht es in diesem Sinne. Am
Schluss sagt Frederick: "Ich mach
doch was, ihr werdet's sehen, wenn
wir ins Winterhäuschen gehen."
(oder man erfindet andere
Mini-Texte dazu). Dann kommt der
Schnee: Vivaldis Winter
(2. Satz), das Mäusegewusel hört
auf vorwärts zu gehen, die Mäuse
kommen fast in Zeitlupe und drehen
sich in unrunden Kreisen, zeigen
Flocken aus Watte, die vorher in
der Tasche stecken, werfen sie als
Schnee hoch und ziehen sich nach
und nach in ihr Mauseloch zurück.
Dann erzählt Frederick von der
Sonne. Ein paar Kinder können eine
Sonnenmusik dazu erfinden, helle
Metallklänge, eine
Glockenspielmelodie, ein Triangel
...
Dann erzählt er von den Farben.
Vorher sind Dinge aus Pappe
geschnitten worden und kommen zum
Vorschein, ein blauer Planet, ein
gelber Stern, ein rotes Herz, eine
grüne Pflanze, bunte Tücher ...
Und es gibt schöne Farbenlieder z.
B. von Dorothee Kreusch-Jakob Guten
Morgen, guten Morgen (u. a.
in der 2. Auflage des
Duett-Liederbuches von Schott
Music) oder I like the Flowers,
als Farbenlied Wir sind die
Farben von Mathilda F.
Hohberger aus Klangfarben und
Farbtöne (Ökotopia) oder
etwas selbst Ausgedachtes ...
Wer es tun möchte, plant es
gemeinsam und dann ahnen auch die
SchülerInnen etwas von dem Wunder
der Arbeitspläne: "Ja mach' nur
einen Plan ... und mach dann noch
'nen zweiten Plan ...". Alles wird
anders, aber es wird.
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